Re: Alkoholproblem Kollege ist rückfällig geworden (Allgemeines)

Andrea W, Tuesday, 05.04.2005, 16:02 (vor 6965 Tagen) @ Claudia H.

Hallo Claudia,
hier auf Wunsch die Betriebsvereinbarung. ich hoffe Sie kommt einigermaßen leserlich bei Dir an.


Betriebsvereinbarung
zur
Suchtprävention


zwischen

.......................................
vertreten durch
den Geschäftsführer

und

dem Betriebsrat ..................................
vertreten durch den
Betriebsratsvorsitzenden


§ 1 Gegenstand und Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung regelt die innerbetrieblichen Maßnahmen zur Vorbeugung gegen die Suchtgefahren und den innerbetrieblichen Umgang mit Problemen und Konflikten, die aus dem Gebrauch von Suchtmitteln entstehen. Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Beschäftigten einschließlich der leitenden Mitarbeiter.

§ 2 Ziele der Betriebsvereinbarung

Diese Betriebsvereinbarung soll
* die Gesundheit der Beschäftigten erhalten,
* die zwischenmenschlichen Beziehungen im Betrieb fördern,
* die Sicherheit am Arbeitsplatz erhöhen,
* den Suchtgefahren durch geeignete Maßnahmen vorbeugen,
* den Beschäftigten, die Probleme mit Suchtmitteln haben, rechtzeitig geeignete Hilfen anbieten,
* die Gleichstellung von suchtgefährdeten und suchtkranken Mitarbeitern/innen mit anderen Kranken sicherstellen und einer Abwertung oder Diskriminierung der Betroffenen entgegenwirken,
* eine Gleichbehandlung aller betroffenen Beschäftigten hinsichtlich der Hilfsangebote und arbeitsrechtlichen/dienstrechtlichen Folgen gewährleisten,
* Vorgesetzten und Kollegen/innen suchtmittelspezifische Richtlinien und Handlungsvorlagen für die Bewältigung von Konflikten an die Hand geben.

§ 3 Grundsätzliche Feststellungen zur Suchtmittelproblematik

Die Abhängigkeit von Suchtmitteln ist rechtlich als Krankheit anerkannt. Danach richten sich alle betrieblichen Maßnahmen zur Suchtmittelproblematik aus. Maßnahmen der innerbetrieblichen Vorbeu-gung gegen die Suchtgefahren und der Hilfe bei Suchtgefährdung und Suchtkrankheit haben Vorrang gegenüber disziplinarischen Maßnahmen.

Alle Vorgesetzten (Geschäftsführung, Abteilungs-, Pflegedienst- und Stationsleiter/innen), sowie Sicherheitsbeauftragte/r, Suchtbeauftragte/r und der Betriebsrat haben ständig auf die Einhaltung dieser Vereinbarung zu achten.
Alle Beschäftigte können sich bei Problemen an eine der vorgenannten Stellen wenden.

§ 4 Gebrauch von Suchtmitteln

Mitarbeiter und Vorgesetzte sind zur genauen Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften (UVV), insbesondere des § 38 UVV, verpflichtet.
Versicherte dürfen sich durch Alkoholgenuß oder andere Mittel nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können.
Versicherte, die infolge Alkoholgenusses oder anderer berauschender Mittel nicht mehr in der Lage sind, ihre Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, dürfen mit Arbeiten nicht beschäftigt werden.

§ 5 Aufklärung/Prävention

Es wird ein/e Suchtbeauftragte/r gemäß Anlage 1 bestellt.

Die Mitarbeiter/innen werden systematisch und fortlaufend über die Suchtproblematik und ihre Hintergründe informiert. Jede Abteilung und Station erhält eine Kopie der Betriebsvereinbarung ausgehändigt.


§ 6 Fortbildung

Mitarbeiter/innen mit Vorgesetztenfunktionen werden für die Anwendung der Betriebsvereinbarung und für den innerbetrieblichen Umgang mit Suchtgefahren und Suchtproblemen geschult.


§ 7 Maßnahmen und Hilfsangebote für Suchtmittelgefährdete und -abhängige

7.1 Der 5-Stufen-Plan

7.1.1 1. Stufe

* Stellt der/die unmittelbare Vorgesetzte fest, daß ein/e Beschäftigte/r die Arbeits- bzw. Dienstpflich-ten vernachlässigt oder nicht mehr ordnungsgemäß erfüllt, führt er hierüber mit dem/der Betroffenen ein erstes Gespräch.

* In diesem Gespräch werden gegenüber dem/der Betroffenen die Auffälligkeiten am Arbeitsplatz sachlich festgestellt. Zugleich wird deutlich gemacht, daß ein Zusammenhang mit Mißbrauchsverhalten vermutet wird.
Der/die Mitarbeiter/in wird aufgefordert, sein Verhalten zu ändern. Er/sie erhält den Hinweis, daß der/die unmittelbare Vorgesetzte künftig verstärkt auf das Arbeitsverhalten des/der Betroffenen achten wird. Es wird ihm/ihr mitgeteilt, daß nach spätestens zwei Monaten ein weiteres Gespräch durchgeführt wird.
Der/die Betroffene wird aufgefordert, hinsichtlich einer genauen Diagnose seines/ihres Abhängigkeitsverhaltens sich an eine Beratungsstelle für Suchtkranke und -gefährdete zu wenden. Hilfe und Unterstützung durch den/die Vorgesetzte/n wird zugesichert.
Der/die Betroffene wird darauf hingewiesen, daß arbeits-bzw. dienstrechtliche Konsequenzen von der Personalabteilung ergriffen werden müssen, wenn von den Hilfsangeboten kein Gebrauch gemacht wird und keine positiven Veränderungen in seinem/ihrem Arbeitsverhalten eintreten.

* Das erste vertrauliche Gespräch mit dem direkten Vorgesetzten hat noch keine personalrechtlichen Konsequenzen. Es wird Stillschweigen bewahrt und keine inhaltliche Aktennotiz gefertigt. Es werden lediglich die Tatsache und der Zeitpunkt des Gesprächs festgehalten.


7.1.2 2. Stufe

* Ist im Verhalten des/der Betroffenen keine positive Veränderung festzustellen, führt der/die unmittelbare Vorgesetzte spätestens innerhalb von 6 Monaten ein weiteres Gespräch mit ihm/ihr. An diesem nehmen die/der unmittelbare und die/der nächsthöhere Vorgesetzte, der/die Personalleiter/in, auf Wunsch der/des Betroffenen der/die Betriebsarzt/ärztin, Suchtbeauftragte/r, der/die Betriebsratsvorsitzende, Schwerbehindertenvertretung, sowie eine zusätzliche Person seines/ihres Vertrauens teil.
Der/die Betroffene ist auf diese Möglichkeit rechtzeitig hinzuweisen. Die Teilnehmer an diesem Gespräch sind durch die Personalabteilung einzuladen.
Nach Erläuterung der weiteren in diesem Stufenplan vorgesehenen Maßnahmen wird der/die Betroffene nochmals aufgefordert, innerhalb einer Woche einen Gesprächstermin bei einer Psychosozialen Beratungs-und Behandlungsstelle für Suchtkranke zu vereinbaren.

* Er/sie erhält Adressen von Suchtberatungsstellen, Selbsthilfegruppen und Fachkliniken sowie Informationsmaterial über Hilfen. Ferner ist sie/er über den nächsten Verfahrensschritt und über eventuelle dienst-bzw. arbeitsrechtliche Konsequenzen allgemein aufzuklären.
Solche Konsequenzen können sein:
- Abmahnung
- Umsetzung
- Unterbrechung des Bewährungsaufstiegs, Änderungskündigung, Kündigung

* Der/die Betroffene hat dem/der Vorgesetzten unverzüglich eine Bescheinigung über das stattgefundene Beratungsgespräch in der Psychosozialen Beratungs-und Behandlungsstelle etc. vorzulegen.

* Der/die Vorgesetzte fertigt über das Gespräch eine inhaltliche Aktennotiz an. Diesen Vermerk leitet der Vorgesetzte mit der schriftlichen Stellungnahme des/der Betroffenen an die Personalabteilung zur Aufnahme in die Personalakte weiter. Der Vermerk unterliegt der Tilgung innerhalb von zwei Jahren, wenn nicht Maßnahmen nach Stufe 3 getroffen werden müssen.

7.1.3 3. Stufe

* Ist im Verhalten des/der Betroffenen keine positive Veränderung festzustellen oder hat der/die Betroffene nicht innerhalb von spätestens zwei Monaten vom Zeitpunkt des Zweitgespräches eine Therapie aufgenommen, so erteilt die Personalabteilung nach Anhörung der/des Betroffenen eine schriftliche Abmahnung, sofern er/sie sich nicht sofort einer ambulanten oder stationären Therapie unterzieht.
Der in Stufe 2 genannte Personenkreis sowie ggf. weitere Vorgesetzte, bei Schwerbehinderten auch die Schwerbehindertenvertretung, sind bei der Anhörung zu beteiligen. Als weitere dienst- bzw. arbeitsrechtliche Maßnahmen kommen nunmehr bereits eine Umsetzung, der Entzug von dienstlichen Funktionen u.ä. in Betracht. Weitergehende Maßnahmen sind konkret anzudrohen.

7.1.4 4. Stufe

* Nimmt der/die Betroffene nicht spätestens nach einem Monat, ab dem Zeitpunkt des dritten Gespräches gemessen, eine ambulante oder stationäre Therapie auf und verändert er auch sein Verhalten innerhalb dieser Frist nicht in positiver Weise, führt nunmehr die Personalabteilung zusammen mit dem unmittelbaren Vorgesetzten ein weiteres Gespräch. Die Personalabteilung kündigt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Fall der weiteren Ablehnung der Hilfsangebote an und es erfolgt eine zweite Abmahnung.


7.1.5 5. Stufe

* Ist die/der Mitarbeiter/in nach einem weiteren Monat immer noch nicht bereit, therapeutische Maßnahmen anzunehmen, wird durch die Personalabteilung, nach vorheriger Rücksprache mit dem Betriebsrat, bei Schwerbehinderten auch mit der Schwerbehindertenvertretung die in Stufe 4 zuletzt angedrohten Maßnahmen im Rahmen der Mitbestimmung des Betriebsrates eingeleitet.
In besonders begründeten Ausnahmefällen, insbesondere bei sonstigen Abhängigkeitskrankheiten, kann von den genannten Verfahrensfristen aus medizinischen Gründen abgewichen werden.


§ 8 Verhalten im Akutfall gem. § 38 UVV

* Stellt ein/e Vorgesetzte/r bei einem/r seiner/ihrer Mitarbeiter/innen ein aufgrund typischer Anzeichen auffälliges Verhalten fest, welches die dienstlichen Belange beeinträchtigt bzw. eine Gefahr für die/ den Beschäftigte/n oder andere darstellt und das Anlaß zu der Annahme von Alkohol-oder sonstiger Rauschmittelbeeinflussung gibt, weisen sie den/die Mitarbeiter/in an, vorläufig die Arbeit einzustellen, bis geklärt ist, ob der weitere Einsatz verantwortet werden kann.

* Zur Ermittlung, ob ein/e betroffene/r Beschäftigte/r die Tätigkeit fortsetzen kann oder dieses alkoholbedingt bzw. wegen sonstigem Rauschmitteleinfluß nicht vertretbar erscheint, sind nach Möglichkeit der/die Personalleiter/in und der/die Betriebsarzt/ärztin hinzuziehen.

* Auf Wunsch des/der Betroffenen müssen nach Möglichkeit der/die Betriebsratsvorsitzende Schwerbehindertenvertretung, Suchtbeauftragter, sowie eine zusätzliche Person seines/ihres Vertrauens hinzugezogen werden
Darauf muß der/die Betroffene hingewiesen werden.

* Gibt der/die betroffene Mitarbeiter/in Alkohol-bzw. Rauschmittelbeeinflussung zu, hat er/sie auf Entscheidung der/des Vorgesetzten und den o.g. Beteiligten die betriebliche Tätigkeit einzustellen.
Bestreitet er/sie eine Alkoholbeeinflussung, hat er/sie die Möglichkeit, den Verdacht auf Alkoholbe-einflussung dadurch zu widerlegen, daß er/sie sich der Überprüfung durch ein Alkoholmeßverfahren unterzieht. Dieses soll von einer dazu geeigneten Person (Betriebsarzt, diensthabenden Arzt i.Hause) durchgeführt werden.

* Bestreitet der/die Beschäftige den Konsum sonstiger berauschender Mittel (Drogen, Lösemittel, usw.) hat er/sie die Möglichkeit, den Verdacht auf eine solche Beeinflussung dadurch zu widerlegen, daß er/sie sich der Überprüfung durch den Arzt (Betriebsarzt, Internisten im Hause usw.) unterzieht.
Verweigert der/die betroffene Mitarbeiter/in trotz begründetem Verdacht durch die vorgenannten Personen die Alkoholmessung bzw. das Aufsuchen eines Arztes, ist es aus Sicherheitsgründen erforderlich, die weitere Arbeit durch die Vorgesetzten zu untersagen.

* Darf der/die betroffene Mitarbeiter/in seine/ihre Tätigkeit wegen Alkohol-bzw. Rauschmittelbeeinflussung nicht fortsetzen, hat der/die Vorgesetzte dafür zu sorgen, daß er/sie umgehend den Arbeitsplatz verläßt. Muß hierbei aufgrund des gezeigten Verhaltens angenommen werden, daß der/die betroffene Mitarbeiter/in auf dem Heimweg sich selbst oder andere gefährdet, ist die Beförderung zur Wohnung des/der Beschäftigten zu veranlassen.

* Auf die möglichen Hilfsangebote (§ 7.1.1) wird hingewiesen.

§ 9 Nachsorge

Nach Abschluß einer Therapie führt der/die unmittelbare Vorgesetzte mit dem/der Betroffenen ein Gespräch. Ziel dieses Gesprächs ist es, den abstinenten Betroffenen bei der Wiedereingliederung zu begleiten und zu unterstützen. Der/die Vorgesetzte soll dafür Sorge tragen, daß der/die Betroffene nach einer ambulanten oder stationären Behandlung wieder voll im Kollegenkreis integriert wird und in seinen Abstinenzbemühungen von allen akzeptiert wird.


§ 10 Rückfälle

Bei Rückfällen ist entsprechend § 7 zu verfahren. Das Verfahren beginnt mit den in Stufe 3 genannten Maßnahmen.

§ 11 Schweigepflicht

Alle an den Gesprächen mit dem/der betroffenen Suchtkranken oder Suchtgefährdeten Beteiligten haben stets die Schweigepflicht zu wahren. Sie dürfen nur mit dem schriftlichen Einverständnis des/der Betroffenen Inhalte und Informationen über Hilfsgespräche an Dritte weitergeben.

§ 12 Kündigung

Die Betriebsvereinbarung kann von jeder Seite mit einer Frist von 3 Monaten zum Jahresende gekündigt werden.

§ 13 Nachwirkung

Die Betriebsvereinbarung wirkt solange nach, bis eine neue Betriebsvereinbarung abgeschlossen ist.

§ 14 Inkrafttreten

Diese Betriebsvereinbarung tritt am 01.09.98 in Kraft.


Kempten, den .............

Für den Betriebsrat

................................ ....................................
Geschäftsführer Betriebsratsvorsitzender

Anlage 1:


Betriebsvereinbarung Suchtprävention:

Herr .................. ist zum Suchtbeauftragten der ................................... bestellt worden.

Der Suchtbeauftragte ist für die Beratung der Geschäftsführung und des Betriebsrates in allen Fragen, die sich aus der Betriebsvereinbarung ergeben, zuständig.

Der Suchtbeauftragte verfügt über eine besondere fachliche Qualifikation und kann von Mitarbeitern/innen die Probleme im Sinne der Betriebsvereinbarung haben zur Beratung aufgesucht werden.

Die Kontaktaufnahme mit dem Suchtbeauftragten ist für jede/n Mitarbeitern/in eine freiwillige Angelegenheit.


................., den .............

Für den Betriebsrat

Geschäftsführer Betriebsratsvorsitzender


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