Einblick in die Liste der Wahlberechtigten und Sozialdatenschutz (Wahlen)

Wolfgang E., Wednesday, 30.08.2006, 17:16 (vor 6459 Tagen) @ JoN

» Niemand anders als Wähler haben Einsicht in die Liste (die SBV kennt sie natürlich auch). Kommt also jemand und fragt nach, ob er eingetragen ist, würde ich die Liste nehmen, alle anderen über und unter dem Eintrag abdecken und dem Anfrager seine eigene Zeile zeigen. Damit wäre das erledigt. Unter Umständen würde ich mir einen Vermerk machen, wer nachgefragt hat (zur eigenen Sicherheit). Wer sonst, außer Wähler sollten ein berechtigtes Interesse haben>

In § 3 Abs. 2 SchwbVWO ist ausdrücklich und zwingend vorgeschriebenen, dass die Liste der Wahlberechtigten (unter Aufsicht des Wahlvorstands) auszulegen ist. Die Liste der Wahlberechtigten darf aber wegen des Sozialdatenschutzes nicht am schwarzen Brett ausgehängt werden! Über die Art der Durchführung und den Umfang der Einsicht in die Wählerliste schweigt sich die Fachliteratur leider weitgehend aus und läßt die Wahlvorstände insoweit mit den dabei auftretenden Rechtsproblemen bzw. Auslegungsfragen vielfach alleine, obwohl es sich gerade hier um ein besonderes sensibles, aber auch sehr schwierig zu lösendes Thema handelt.

Mit der Frage zum Umfang der Einsicht in das Wählerverzeichnis hat sich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 27.01.2004, 8 AR 7/06, ausführlich befasst und die entgegenstehende Rechtsprechung des Arbeitgerichts Stuttgart vom 21.05.2003, 24 BV 255/02, zur Einsicht in das Wählerverzeichnis im förmlichen Wahlverfahren aufgehoben.

Wer außer den aktiv Wahlberechtigten einen Rechtsanspruch auf Einsicht in die Liste der Wahlberechtigten hat, soweit er ein „berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Wahl glaubhaft macht“ (vgl. § 4 Abs. 1 SchwbVWO), ist nachzulesen unter
www.integrationsaemter.com

Primärer Regelungszweck der Vorschrift über die Auslegung der Liste der Wahlberechtigten ist neben der „Verfahrenstransparenz“ vor allem die Möglichkeit, Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste einzulegen, also die Sicherung effektiver Einspruchsmöglichkeiten gegen die Wählerliste (vgl. § 4 Abs. 1 SchwbVWO). Dazu gehört auch, dass in der Wählerliste keine Personen stehen, die kein Wahlrecht haben, etwa behinderte Beschäftigte mit einem GdB von 30, aber ohne Gleichstellungsbescheid (§ 68 Abs. 3 SGB IX), oder beispielsweise keine gleichgestellte behinderte Jugendliche und keine gleichgestellte behinderte junge Erwachsene während der Berufsausbildung mit einem GdB unter 30 (§ 68 Abs. 4 SGB IX n.F.), oder Personen, deren Schwerbehindertenausweis abgelaufen bzw. nicht mehr verlängert wurde.

Das "berechtigte Interesse" ist eng auszulegen wegen des gesetzlichen Sozialdatenschutzes und ggf. gegenüber dem Wahlvorstand glaubhaft nachzuweisen. Die Einsicht in die Wählerliste und die damit verbundene Offenbarung der Schwerbehinderteneigenschaft ist demnach auf das unbedingt Erforderliche zu begrenzen, da es sich um besonders schützenswerte Sozialdaten handelt (vgl. § 67 Abs. 1 SGB X und § 69 Abs. 1 SGB X).


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