Schwerbehinderte soll nicht eingestellt werden (Einstellung)

hackenberger, Wednesday, 14.10.2009, 21:00 (vor 5326 Tagen) @ donnaantonia

Hallo "donnaantonia",

sofern NUR schwerbehinderte Bewerber einen Schreibtest machen musstem, würde dieses ganz eindeutig einen Verstoß gegen § 1 AGG darstellen. Dieses hätte die SchwbV auch beanstanden müssen und dagegen einschreiten.


AG muss sofern er die Pflichtquote nicht erfüllt § 81 Abs. 1 Satz 7 SGB IX weiter zu beachten.

Hier Auszüge aus dem Knittelkomentar zum § 81 Abs. 1

Rn 38
Eine besondere Erörterungspflicht ist bei beschäftigungspflichtigen Arbeitgebern vorgesehen. Diese kommt zum Tragen, wenn der Arbeitgeber die Pflichtquote nicht erfüllt hat und die Schwerbehindertenvertretung oder die betriebliche Interessenvertretungen mit der beabsichtigten Einstellungsentscheidung nicht einverstanden ist (Abs. 1 Satz 7). Der Arbeitgeber muss dann die beabsichtigte Einstellungsentscheidung mit der Schwerbehindertenvertretung und der betrieblichen Interessenvertretung in einem Gespräch erörtern und im Einzelnen begründen. Allein der Austausch gegensätzlicher schriftlicher Stellungnahmen genügt dem nicht (BAG Urteil vom 15. August 2006 – 9 AZR 571/05, zit. nach JURIS, unter II 2a der Gründe). “Erörtern” bedeutet den Austausch der Argumente und Meinungen mit dem Ziel, zu einer Verständigung zu gelangen (GK-SGB XI / Großmann Rdnr. 112) und die Führung eines Gesprächs, in dem die von der Vertretung “vorgetragenen Einwände erörtert werden” (Müller-Wenner / Schorn Rdnr. 23). Hierbei ist insbesondere darzulegen, weshalb die Einstellung des schwerbehinderten Bewerbers trotz Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht abgelehnt werden soll.

Rn 39
Der Arbeitgeber muss außerdem alle von der beabsichtigten Entscheidung betroffenen schwerbehinderten Bewerber anhören (Abs. 1 Satz 8). Das ist sowohl im Rahmen der Erörterungen mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebs- / Personalrat als auch in einem eigenen Gesprächstermin möglich. Bei diesem sind Schwerbehindertenvertretung und betriebliche Interessenvertretungen teilnahmeberechtigt (Hauck / Noftz / Schröder Rdnr. 10).

Rn 43
Der Arbeitgeber soll sich nur nach reiflicher Überlegung und unter Berücksichtigung aller Umstände gegen einen schwerbehinderten Bewerber entscheiden. Der Zwang für den Arbeitgeber, im Erörterungsgespräch die Ablehnungsgründe offenlegen zu müssen, erleichtert dem abgelehnten Bewerber, einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 81 Abs. 2 glaubhaft machen zu können, falls der Arbeitgeber nicht nur sachliche Gründe vorbringt (Müller-Wenner / Schorn Rdnr. 26).

Rn 44
Ist die Einstellungsentscheidung endgültig getroffen, hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung unverzüglich, d. h. hier in der Regel sofort, gem. § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zu informieren. Darüber hinaus müssen alle Beteiligten, also auch die betriebliche Interessenvertretung und die abgelehnten schwerbehinderten Bewerber, vom Arbeitgeber unterrichtet werden (Abs. 1 Satz 9). Die Unterrichtungspflicht ist nicht davon abhängig, dass zuvor eine Erörterung und Anhörung nach Abs. 1 Satz 7 und 8 stattgefunden hat (Großmann BehindertenR 2003, 125 [133]; Neumann u. a. / Neumann Rdnr. 9; a. A. Müller-Wenner / Schorn Rdnr. 27). Denn die Regelung hat eine eigenständige und von den vorhergehenden Sätzen unabhängige Stellung und Bedeutung. Die Pflicht zur Unterrichtung besteht also auch dann, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht verletzt hat bzw. das zumindest behauptet.

Rn 46
Das schließt nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht nur die Mitteilung der Entscheidung, sondern auch ihrer Begründung ein (ArbG Frankfurt a. M. Urteil vom 19. Februar 2003 = BehindertenR 2004, 199). Nur so können abgelehnte schwerbehinderte Bewerber gegebenenfalls die Entscheidung gerichtlich überprüfen lassen oder Rechte aus § 81 Abs. 2 SGB IX geltend machen (Müller-Wenner / Schorn Rdnr. 27). Denn der Bewerber kann innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnungsentscheidung schriftlich einen Entschädigungsanspruch geltend machen, wenn er geltend macht, im Verlauf des Bewerbungs- und Einstellungsverfahrens wegen seiner Behinderung unzulässig benachteiligt worden zu sein (§ 81 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 15 Abs. 4 AGG).

Rn 47
Dabei ist es dem Arbeitgeber grundsätzlich verwehrt, sich auf Gründe zu beziehen, die er dem betroffenen Bewerber im Rahmen seiner Unterrichtung nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nicht mitgeteilt hat (Hess. LAG Urteil vom 7. November 2005 = NZA-RR 2006, 213; ArbG Frankfurt a. M. Urteil vom 19. Februar 2003 a. a. O). Ein Nachschieben von Gründen kommt regelmäßig nicht in Betracht. Der Arbeitgeber könnte andernfalls unter Missachtung der Formvorschriften das Benachteiligungsverbot umgehen. Nachträglich, d. h. vor allem in dem Verfahren nach § 81 Abs. 2 SGB IX, vorgebrachte Gründe können ausnahmsweise nur dann herangezogen werden, wenn der Arbeitgeber sie vorher nicht geltend machen konnte. Das kann der Fall sein, wenn sich während des Einstellungsverfahrens z. B. die Aufgabenstellung und damit die Anforderungen an die Qualifikation des einzustellenden Arbeitnehmers geändert haben oder wenn aufseiten der Bewerber Veränderungen eingetreten sind. Im Übrigen ist der Arbeitgeber inhaltlich an die Begründung gebunden, die er im Rahmen seiner Mitteilung nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX abgegeben hat (ArbG Frankfurt a. M. Urteil vom 19. Februar 2003 a. a. O.).

Rn 49
Ein Verstoß gegen das gesetzliche Beteiligungsverfahren kann eine Ordnungswidrigkeit darstellen bei Verletzung der Unterrichtungspflichten gem. § 156 Nr. 7 SGB IX sowie bei Verstoß gegen die Erörterungspflicht nach § 156 Nr. 8 SGB IX (näher hierzu Neumann BehindertenR 2004, 103). Das gilt nicht, wenn die Beteiligungspflicht deshalb entfällt, weil der schwerbehinderte Bewerber eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach Abs. 1 Satz 10 ausdrücklich abgelehnt hat.


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