SBV-Freistellung bei 40 schwerbehinderten Beschäftigten (Freistellung)

Wolfgang E., Monday, 26.02.2007, 13:40 (vor 6278 Tagen) @ Michael Bruns

In den vorstehenden Forumsbeiträgen wurden ja die wichtigsten Punkte bereits zutreffend erörtert:
• Kein Weisungsrecht des Arbeitgebers sowie des PR bezüglich der Art und des Umfangs der SBV-Amtstätigkeit nach der Rechtsprechung
• Verbot der Behinderung der SBV in der Amtsausübung und Verbot der Benachteiligung der SBV wegen ihres Amtes (§ 96 Abs. 2 SGB IX)
• Freistellung der SBV für die erforderliche Amtstätigkeit, wobei der SBV insoweit ein Ermessensspielraum zusteht bei der Frage der Erforderlichkeit (§ 96 Abs. 4 Satz 1 SGB IX)
• Schwerbehinderte Menschen werden auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freigestellt (§ 124 SGB IX)
• Vorrang der Mandatstätigkeit kraft Gesetzes vor den arbeitsvertraglichen Pflichten

» Der Dienstherr meint, dass ich ein Ehrenamt hätte, wo ich mich eben mehr privat engagieren könnte.

Das Ansinnen von Arbeitgebern, das Ehrenamt als Vertrauensperson „eben mehr privat“ auszuüben, beruht wohl auf einer weit verbreiteten „Leseschwäche“. Denn in der erwähnten Vorschrift des § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist nichts davon erwähnt, dass das Ehrenamt in der Freizeit auszuüben ist, sondern das genaue Gegenteil. Im Übrigen handelt es sich bei der Amtstätigkeit keineswegs um eine für den Arbeitgeber verlorene Zeit, sondern vielmehr um die berufliche Integration von Beschäftigten des Arbeitgebers beispielsweise mit dem Ziel, Fehlzeiten zu verringern und Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen zur Sicherstellung einer erhöhten Einsatzfähigkeit und Produktivität.

» Einer meiner direkten Kollegen, der bislang meine liegengebliebene Arbeit teilweise erledigt hat, hat mich zum Rücktritt aufgefordert...

Eines der Hauptprobleme scheint darin zu liegen, dass es der Arbeitgeber ablehnt, zusätzliches notwendiges Personal als Ersatz für die SBV-Amtstätigkeit einzusetzen. Die Schwerbehindertenvertretung ist ja nicht nur für das Sachgebiet tätig, dem die Vertrauensperson angehört, sondern kraft Gesetzes sachgebietsübergreifend für die gesamte Dienststelle. Daher ist es Aufgabe des Arbeitgebers, dafür zu sorgen, dass ein notwendiger Personalausgleich grundsätzlich nicht sachgebietsintern, sondern dienststellenbezogen erfolgt etwa analog der Verwaltungspraxis für freigestellte Mitglieder des Personalrats.

» Mir wurde nahegelegt, die SBV-Aufgaben zu reduzieren.

Die pauschale Aufforderung des Arbeitgebers, die Amtstätigkeit zu einzuschränken, ist im Ergebnis faktisch eher eine Aufforderung zu einer proforma-Vertretung, zu einer Umgehung des Schwerbehindertenrechts, zu einer Vernachlässigung des Amts der SBV mit seinem gesetzlichen festgelegten Aufgabenkatalog bzw. zu einer Amtspflichtverletzung als gewählte Vertrauensperson mit der Folge, dass der SBV ggf. von ihren Wählern unzureichende Amtstätigkeit vorgehalten wird. Eine Einschränkung der SBV-Aufgaben wäre ein Rechtsbruch, da es sich um vom Gesetzgeber ausdrücklich festgelegte Aufgaben handelt, die nicht zur Disposition des Arbeitgebers stehen.

» Mir wurde nahegelegt, meiner Stellvertreterin Teilaufgaben zu übertragen, obwohl dies laut SGB IX bei 40 schwerbehinderten Beschäftigten nicht vorgesehen ist.

Für die Aufforderung des Arbeitgebers, der Stellvertretung Teilaufgaben zu übertragen, gibt es keine Rechtsgrundlage. Die Stellvertretung hat kein Mandat, Teilaufgaben wahrzunehmen. Eine solche Übertragung von Teilaufgaben wäre im Ergebnis eine unzulässige Verfälschung des Wahlergebnisses, da die gewählte Vertrauensperson das Mandat höchstpersönlich auszuüben hat und der Stellvertretung kraft Gesetzes nur eine Abwesenheitsvertretung gestattet ist.

» Der AG lehnt eine Verteilung der liegengebliebenen Arbeit auf andere ab, da er kein Personal zur Verfügung hätte. Bei uns ist die Frauenbeauftragte schon zurückgetreten, weil die offizielle Freistellung weggefallen war und sie sich nicht mehr in der Lage sah, das Ehrenamt noch nebenbei zu erledigen.

Was Gerichte von einer derartigen Argumentation von Arbeitgebern im Öffentlichen Dienst halten, etwa dass kein Geld eingeplant sei für Personalratsschulungen, die ja gleichfalls zu den elementaren Basispflichten gehören, ist nachzulesen in einem aufschlussreichen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 31.03.2004. Dieser Beschluss enthält auch einige allgemeingültige Ausführungen, die m.E. auch für die Arbeit bzw. Freistellung von Vertrauenspersonen sinngemäß herangezogen werden können und weit über den vom Verwaltungsgericht München entschiedenen Einzelfall hinausgehen.
(VG München, Beschluss vom 31.03.2004, M 20 P 04.910)

» Der PR meinte, dass es reichen würde, wenn ich nicht an jeder PR-Sitzung teilnehmen würde, sondern es ausreicht, wenn ich das Protokoll lese und nur teilnehme, wenn es auch um SBV-Sachen gehen würde.

Die seit Jahrzehnten überholte Auffassung des PR, dass es ausreiche, wenn die SBV nur an PR-Sitzungen teilnehme, in denen "SBV-Sachen" behandelt werden, ist unvereinbar mit der ständigen Rechtsprechung und nach der amtlichen Gesetzesbegründung schon deshalb haltlos, da vor einer Sitzung durch den Personalrat überhaupt nicht sicher überschaubar ist, ob Interessen der schwerbehinderten Beschäftigten betroffen sind.
www.integrationsaemter.de

» Da eine Arbeitsverdichtung durch Personalkürzungen erfolgte, kann ich die Fehlzeiten nicht mehr ganz auffangen. Hinzu kommt, dass die Aufgaben der SBV auch durch die Novellierung weiter ausgebaut wurde.

Der Gesetzgeber hat aufgrund der umfangreichen gesetzlichen Aufgabenmehrung der Vertrauenspersonen nach dem Schwerbehindertenrecht die Regelungen für Vollfreistellungen für die Schwerbehindertenvertretung erweitert. War zunächst eine Vollfreistellung erst ab 300 schwerbehinderten und gleichgestellten behinderten Beschäftigten möglich, wurde die Zahl später auf 200 reduziert wegen des Umfangs der gesetzlichen Aufgaben (§ 96 Abs. 4 Satz 2 SGB IX). Literatur und Rechtsgrundlagen zur Teilfreistellung unter
www.schwbv.de/forum/board_entry.php>id=5279#p5616

Bei der Gesetzesänderung 2004 hat nunmehr der Gesetzgeber klargestellt, dass die Aufgabenbelastung der Vertrauensperson so groß geworden ist, dass eine volle Freistellung bereits ab der Zahl 100 beansprucht werden kann, da die [link=http://www.schwbv.de/forum/index.php>id=5327]Aufgabenbelastung[/link] durch die Betreuung von 100 schwerbehinderten und gleichgestellten behinderten Beschäftigten von einer Person nicht mehr alleine leistbar ist (§ 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX).
www.schwbv.de/forum/index.php>id=519

» Ich hatte versucht, aufgrund meiner Aufzeichnungen eine pauschale Freistellung von 15 % zu erhalten. Dies wurde abgelehnt, da es keine pauschale Freistellung bei unter 100 schwerbehinderten Beschäftigten gebe.

Es ist nicht zutreffend, dass es bei unter 100 schwerbehinderten Beschäftigten keine prozentuale pauschale Freistellung gäbe. Eine prozentuale Teilfreistellung kann in solchen Fällen durchaus sachgerecht sein etwa nach der rechtskräfigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 25.07.2005.
(VG München, Beschluss vom 25.07.2005, M 18 K 04.6277)

Forum zur prozentualen Teilfreistellung
www.schwbv.de/forum/board_entry.php>id=725#p1430

Richtlinien aus NRW zur SBV-Freistellung, Anlage 1
www.im.nrw.de

Handelt es sich denn bei diesem Arbeitgeber um eine Staatsverwaltung mit Fürsorgerichtlinien sowie einer Bezirks-SBV und einer Haupt-SBV, oder betrifft es eine sonstige Körperschaft des öffentlichen Rechts>

Kontextlink:
SBV-Aufgaben, Rechte & Pflichten

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