Kündigung einer gleichgestellten Person (Allgemeines)

Hendrik1, Niedersachsen, Tuesday, 06.02.2018, 13:55 (vor 2264 Tagen) @ Apfelsaft

Moin Moin Apfelsaft,

Du hast aus meiner Sicht 2 Möglichkeiten, deren Folgen ich nicht absehen kann.

1. Dem Arbeitgeber jetzt mitteilen, dass er fehlerhaft gehandelt hat, dann kann er aber die Kündigung zurückziehen und das Präventionsverfahren einleiten, was bei negativem Ausgang auch zu einer Kündigung führen kann, oder aber
2. die unten angeführten Gründe lediglich dem Integrationsamt in der Stellungnahme zur Kündigung mitteilen, was aber dazu führen kann, wenn das Integrationsamt trotzdem der Kündigung zustimmt, dass die Schwerbehinderte bei Gericht eine Kündigungsschutzklage einreichen muss.

Offensichtlich hat die Tatsache, dass die Kollegin bislang diese Gespräche nicht führen wollte, ja nicht zu einem Zustand geführt, dass das Arbeitsverhältnis gefährdet sein kann. Ansonsten hätte der Arbeitgeber ein Präventionsverfahren nach § 84,1 SGB IX( seit 01.01.2018 §167,1 SGB IX) einleiten müssen und die SBV unverzüglich nach § 95,2 SGB IX (seit 01.01.2018 178,2 SGB IX) unterrichten und vor dieser Entscheidung anhören müssen.
Daher würde ich als SBV die Kündigung als formal fehlerhaft durchgeführt ablehnen.

Dann brauchen Punkte, wie warum die Schwerbehinderte das BEM abgelehnt hat, gar nicht erörtert zu werden, denn diese haben ja nicht ausgereicht, um eine oben genannte Reaktion des Arbeitgebers zu bewirken.

Sollte Dein Betrieb auch dem bayrischen Schwerbehindertenerlass unterliegen, gilt auch noch folgendes, falls ich die neueste Version des Erlasses im Internet gefunden habe:

„Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Angehöriger
des öffentlichen Dienstes in Bayern
„Fürsorgerichtlinien“
2005

I. Allgemeine Grundsätze
6. Großzügige Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften
Alle zu Gunsten der schwerbehinderten Menschen ergangenen Bestimmungen sind großzügig auszulegen und anzuwenden.

III. Prävention
1. Frühzeitige Prävention
Bei personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder Dienstverhältnis, die zu dessen Gefährdung führen können, sind die Schwerbehinderten-vertretung und die Personalvertretung sowie das Integrationsamt unverzüglich einzuschalten, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder Dienstverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann (§ 84 Abs. 1 SGB IX).
2. Betriebliches Eingliederungsmanagement bei längerer Arbeitsunfähigkeit (§ 84 Abs. 2 SGB IX)
2.2 Voraussetzungen und Ziele
Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, hat die Dienststelle mit der Personalvertretung, bei schwer-behinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten zu erörtern, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich, wird auch die Betriebsärztin, der Betriebsarzt hinzugezogen (§ 84 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX). Dies gilt unabhängig von einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung für alle Beschäftigten.
Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sind:
- Überwindung der Arbeitsunfähigkeit;
- Vorbeugung vor erneuter Arbeitsunfähigkeit;
- Erhalt des Arbeitsplatzes/Vermeidung der Dienstunfähigkeit."

Wichtig: Bei BEM-Gesprächen seit ihr mit einzubeziehen, ist dies geschehen? Die Termine, die der Beschäftigten vorgeschlagen wurden, hätten euch mitgeteilt werden müssen. Genau wie die Ablehnungen derselben.
Steht bei Euch das Ziel des BEMs fest?
Wird dies den Beschäftigten auch mitgeteilt?
Die Regelung des Präventionsverfahrens ist großzügig auszulegen I.6. , sie ist ein Schutzrecht für Schwerbehinderte, um frühzeitig das Gespräch zu suchen, damit Kündigungen möglichst vermieden werden können. Warum ist dies hier nicht geschehen?

Fazit:
Durch die Mitteilung der Beschäftigten, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - das BEM Gespräch mehrfach abgelehnt hat, wurde ein paradoxer Zustand geschaffen: Das Arbeitsverhältnis wurde einerseits nicht in Gefahr gebracht, da ansonsten das Präventionsverfahren unverzüglich hätte eröffnet werden müssen (SGB IX und bayerischer Erlass), andererseits soll dies Verhalten ohne das Präventionsverfahren dazu ausreichen, dass eine Kündigung ausgesprochen werden soll, weil es dem Arbeitgeber aus seiner Sicht nicht möglich ist, das Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten.

Darauf muss der Arbeitgeber erst einmal Antworten finden.

Mir ist bewusst, dass das Präventionsverfahren nicht zwingend vor einer Kündigung durchgeführt werden muss, aber bei einem längeren und sich wiederholenden Verhalten oft als Voraussetzung von Arbeitsgerichten abgefragt wird.

Liebe Grüße

Hendrik


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