Präventionsverfahren während der Wartezeit? (Allgemeines)
Hallo,
die Differenzierung des LAG Köln dahingehend, ob "wegen der Schwerbehinderung" gekündigt werden sollte, wirkt allerdings auch sehr konstruiert und nicht unbedingt mit dem Wortlaut des § 167 Abs. 2 vereinbar.
Ich bin sehr gespannt auf die Begründung des LAG Köln, insbesondere mit Blick auf die "Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitgebers", um eine Wartezeitkündigung nicht faktisch unmöglich zu machen.
Tatsächlich war der vorliegende Fall nicht einfach: Es ist nicht auszuschließen (vielleicht sogar zu vermuten), dass die frühkindlich erworbene Hirnschädigung des Mitarbeiters die Einarbeitung erschwert hat und ggf. präventive Maßnahmen durch Einbeziehung des Sachverstandes Dritter (z. B. des Inklusionsamtes oder des Integrationfachdienstes) eine Sicherung des Arbeitsverhältnisses hätte herbeiführen können. Fatalerweise war der Mitarbeiter aufgrund eines Kreubandrisses aber auch etliche Wochen arbeitsunfähig, so dass bereits die Erkrankungszeit ein Präventionsverfahren innerhalb der ersten sechs Monate deutlich erschwert hätte.
Dennoch bin ich der Überzeugung, dass der Leitsatz des BAG (Keine Verpflichtung des Arbeitgebers in den ersten sechs Monaten) nicht aufrecht erhalten werden kann. Aus dem Gesetz lässt sich eine entsprechende Einschränkung nicht herleiten. Angesichts der möglichen Beratungs- und Förderangebote durch Rehabilitationsträger und Integrationsämter bereits in den ersten sechs Monaten wäre es widersinnig, die Arbeitgeber hier völlig frei von jeder Verpflichtung zu stellen.
Für mich stellt sich eher die Frage, wie sich das BAG auf der "Rechtsfolgenseite" (Was, wenn kein Präventionsverfahren durchgeführt wird?) positioniert:
Wie wird in der Wartezeit die Beweislast im Sinne des AGG verteilt?
Wie sind bereits eingeleitete, aber in der Wartezeit faktisch nicht mehr zu beendende präventive Maßnahmen zu würdigen?
Welchen Stellenwert nehmen Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis ein, wenn diese keinen Zusammenhang mit der Schwerbehinderung aufweisen?
Die Durchführung von Prävention als auch das BEM sind keine formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung. Die Nicht-Durchführung führt (außerhalb der Wartezeit) regelmäßig zur Umkehrung der Beweislast.
Für die Wartezeitkündigung könnte diese Beweislastumkehr weniger stark ausgeprägt werden bzw. ganz entfallen. So dass im Ergebnis belegt werden müsste, dass ein Präventionsverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit das Beschäftigungsverhältnis in der Wartezeit hätte sichern können (ggf. durch Beweisaufnahme, z. B. Stellungnahme des Integrationsfachdienstes).
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Gruß
Matthias