Stellungnahme aus der Praxis Teil 2 (Allgemeines)

Hendrik1, Niedersachsen, Thursday, 31.01.2019, 13:52 (vor 1911 Tagen) @ Hendrik1

Teil 2

Unter Punkt 8.3. steht unter Krankheiten der Atmungsorgane mit dauerhafter Einschränkung der Lungenfunktion geringen Grades ein GdB von 20 für „ das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bei mittelschwerer Belastung“. Dieses kann in körperlich belastenden Berufen – bei uns z.B. Pflege, Transportdienst – zu deutlichen Einschränkungen führen, weil diese Gesundheitsstörung dazu führt, dass Betroffene in der Pflege in Notfallsituationen nicht schnell Geräte holen können, bei Reanimationen schnell an ihre körperlichen Grenzen stoßen, aber auch in der alltäglichen Belastung bei der Mobilisation der Patienten/innen und der oft aufwendigen und mit körperlichem Einsatz verbundenen Grundversorgung (Waschen und Lagern der Patienten/innen). Der Transportdienst mit dem Patiententransport im Bett kann dann teilweise schon zu einer Überlastung führen. Auch Tätigkeiten im Regeltransport mit den bis zu 400 kg schweren Essenswagen etc. ist für diese Beschäftigten eine Überforderung. Daher benötigen diese zur Findung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes, erst recht, wenn weitere Gesundheitsstörungen hinzukommen, die Schutzrechte der Schwerbehinderten, um eine Langzeiterkrankung und/oder Frühverrentung zu vermeiden. Wenn sich der GdB von 20 nicht erhöhend auswirkt, sind auch in diesem Fall die Hilfestellungen der Schwerbehinderten deutlich erschwert. Analog gilt dieses auch für die Herzleistungseinschränkung unter 9.1.1. Ohne die Schutzrechte der Schwerbehinderten droht hier auch die Frühverrentung und/oder Langzeitarbeitslosigkeit durch den Jobverlust.

Bei Punkt 9.2.1. der PAVK gilt ein GdB von 20 bei einseitigen Schmerzen bei einer Gehstrecke von mehr als 500 Metern. Dieses kann im Transportdienst, der Pflege aber auch außerhalb des Krankenhauses in vielen Bereichen schnell erreicht werden und soll sich nicht mehr erhöhend auswirken, wodurch Menschen, die aufgrund dieser Gesundheitsstörung einen neuen Beruf benötigen, schwerer an Hilfestellungen kommen?

Unter der Zuckerkrankheit (Diabetes Mellitus) ist in Punkt 15.1. ein GdB von 20 erreicht, wenn die medikamentöse Behandlung einen Unterzucker auslösen kann. Dieses kann z.B. bei der Tätigkeit als Kraftfahrer dazu führen, dass der Beruf nicht oder nur mit Einschränkungen ausgeübt werden kann. Zudem darf z.B. in der Pflege wegen der Abhängigkeit der Patienten von den Pflegenden diese/r nicht mehr alleine auf Station / im Bereich arbeiten, da dieser ggf. auch in einen hypoglykämischen Schock fallen kann, wodurch die Patienten/innen nicht mehr versorgt wären.
Auch dieses soll sich nach dem Referentenentwurf nicht mehr erhöhend auswirken?

Dieses sind nur Beispiele, warum wir der Meinung sind, dass die im Entwurf angedachte Erhöhung des GdB nur in Ausnahmefällen bei einem GdB von 20 durchaus kritisch gesehen werden kann. Eine vollständige Aufstellung würde zu weit führen. Diese dürfte, weil hierdurch auch der GdB von 50 deutlich schwerer zu erreichen ist und somit Hilfestellungen des SGB IX nicht in Anspruch genommen werden können, auch mit einer höheren Zahl von Frühverrentungen und einer Zunahme der Leistungen der Sozialversicherungsträger (Krankengeld, Arbeitslosengeld) verbunden sein.

Hinzu kommt, dass durch die Neufassung des § 229 SGB IX zum 01.01.2017 in dem für das Merkzeichen AG erstmalig durch den Gesetzgeber anerkannt wurde, dass der GdB von 80 für die unteren Extremitäten auch durch mehrere Einschränkungen insgesamt anerkannt werden kann, welcher neben der mindestens nahezu kompletten Gehunfähigkeit auch für kurze Strecken, die Voraussetzung für dieses Merkzeichen ist.

Kollegen/innen haben beispielsweise mit einem GdB von 70 für eine einseitige PAVK (9.2.1. Gehfähigkeit unter 50 Meter) und einem GdB von 20 für eine Polyneuropathie z.B. durch einen Diabetes, welcher durch die Nervenschädigung in den Füssen ebenfalls die Gehfähigkeit negativ beeinflusst, haben den GdB von 80 für die unteren Extremitäten anerkannt bekommen und endlich auch das Merkzeichen AG erhalten, welches Ihnen dazu verhilft, am öffentlichen Leben teilzunehmen, indem sie die Schwerbehindertenparkplätze nutzen können, um aufgrund der größeren Breite in ihren Rollstuhl seitlich einsteigen zu können und am Erwerbsleben, sowie im Privatbereich durch z.B. Einkäufe selbständig erledigen, und am gesellschaftlichen Leben wieder besser teilhaben zu können. Diesen Kollegen/innen möchten Sie nun kurze Zeit später durch die ebenfalls im Erlass vorgesehene Prüfung der Altfälle den Status wieder aberkennen und es Kollegen/innen in der identischen Situation somit nicht ermöglichen, dieses Merkzeichen zu erlangen, um erwerbsfähig zu bleiben?

Soweit Teil 2


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