Stellenanzeige (Einstellung)

WoBi, Wednesday, 13.03.2019, 13:11 (vor 1877 Tagen) @ nachteilsausgleich

Hallo Thomas,

in einem laufenden AGG-Verfahren wird einem öffentlichen Arbeitgeber unter anderem vorgeworfen eine Benachteiligung von behinderten Bewerbern zu betreiben, weil im Bewerbungsportal, nachdem der Bewerber mitgeteilt hat, dass er einen GdB hat, eine Zusatzabfrage ohne Erklärung zur Markierung eingeblendet: „Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erlaubt?“.

Im Schriftsatz wird dazu ausgeführt, dass diese Art der Frage zum Ankreuzen eine Umkehrung des grundsätzlichen Beteiligungsrechtes der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX zum Schutz des schwerbehinderten Klägers ist. Die Schwerbehindertenvertretung ist nur dann nicht am Vorstellungsgespräch zu beteiligen, wenn der Kläger diese Beteiligung nicht wünscht und dieses unaufgefordert gegenüber der Beklagten mitgeteilt wird. Dieser Wunsch muss aber extra ohne Fremdeinflussnahme durch den Kläger erfolgen. Eine Herbeiführung, auch durch kreative Text- und Verfahrensgestaltung, durch den Beklagten ist unzulässig.

Die Fragestellung durch den Beklagten ist „suggestiv“, daher unzulässig bzw. klar diskriminierend nach der Fachliteratur (ausführlich Prof. Dr. Knittel, SGB IX, § 82 Rn. 22; ebenso Prof. Düwell in LPK-SGB IX, § 164 Rn. 152 / 5. Auflage Seite 694).

Denn durch die Gestaltung mittels dieser für den Kläger überraschende Abfrage, wird eine „Erwartungshaltung“ der Beklagten ausgedrückt. Für den Kläger war nicht erkennbar, ob eine Verhinderung der durch das SGB IX vorgesehene Beteiligung durch die Schwerbehindertenvertretung seine Bewerbungschancen erhöhen oder durch die Inanspruchnahme zustehenden Rechts seine Bewerbungschance negiert werden. Der schwerbehinderte Kläger wurde dadurch in seinen Schutzrechten in unzulässiger Weise beschnitten. Die Gestaltung hat eine „abschreckende Wirkung“ auf den Kläger gehabt, da erhebliche Zweifel bezüglich einer Angabe der bestehenden Schwerbehinderteneigenschaft aufgekommen sind und dieses letztendlich durch die Ablehnung bestätigt wurden.

In der Stellungnahme des Arbeitgebers wird ausgeführt, dass die Frage ob der Bewerber eine „Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erlaubt“, stellt nichts anderes dar als ein Hinweis auf die gesetzliche Regelung, wonach es dem Bewerber freigestellt ist, die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung auch abzulehnen. Dass diese Möglichkeit überhaupt besteht, dürfte den wenigsten Merkmalträgern bekannt sein. Demzufolge handelt es sich nicht um eine wie auch immer geartete „Suggestivfrage“. Und es ist nicht nachvollziehbar, wie aus diesem Hinweis eine Benachteiligung resultieren könnte. Denn dem Bewerber allein verbleibt die Entscheidung darüber, ob er eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ablehnt oder nicht.

Es stellt sich die Frage welche Absicht der öffentliche Arbeitgeber mit seinem Aufklärungswunsch „Dass diese Möglichkeit überhaupt besteht, dürfte den wenigsten Merkmalträgern bekannt sein.“ hat. Zumal die Beteiligung der SBV der vorgesehene gesetzliche Normalfall darstellt. Es könnte auch unterstellt werden, dass mit dieser Frage auf eine Verhinderung der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung der spezifischen betrieblichen Interessensvertretung der SBV hingewirkt werden soll und somit eine mögliche Maßnahme zur Behinderung der ehrenamtlichen Arbeit der SBV darstellen kann, zumindest die gesetzliche Aufgabenstellung der SBV erschwert wird.

Zwischenzeitlich wurde die Frage im Bewerbungsportal abgeändert in „Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung wird abgelehnt (§164 Abs. 1 Satz 10 SGB IX)“. Ob dies besser ist?

Diesen "Hinweis zur Aufklärung von behinderten Bewerbern" gleich in die Stellenausschreibung zu schreiben geht für mich in die gleiche Richtung.

Der schwerbehinderte oder gleichgestellte Bewerber soll auf seine Rechte im Vorstellungsgespräch durch die Unterstützung durch die SBV verzichten. Dies ohne über die Folgen und die Möglichkeiten der SBV aufgeklärt zu werden.

Die Teilnahme der SBV an den Vorstellungsgesprächen soll verhindert werden und damit die Arbeit der SBV erschwert werden. Der Arbeitgeber greift in die Arbeit der SBV entgegen § 182 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ein. Eine Beteiligung der SBV kann dadurch aber nicht verhindert werden.
Als GSBV bist du direkt in Betrieben/Dienststellen ohne eigene SBV betroffen. Für die örtlichen SBV könnte hier zentral gehandelt werden oder die jeweilige örtliche SBV versucht eine Klärung ggf. mit rechtlicher Unterstützung.

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Gruß
Wolfgang


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