Gilt das Eingliederungsmanagement auch für Beamte? (BEM)

Wolfgang E., Wednesday, 27.12.2006, 08:50 (vor 6339 Tagen) @ Daniel

» Zur Zeitschrift PersV 11/2006 von Ltd. Postdirektor Dr. Harald Steiner

Die Argumentation von Steiner in der Zeitschrift "Personalvertretung" (PersV 11/2006, Seite 417-423), dass das Eingliederungsmanagement entgegen der Auffassung von Sabrina Klaesberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht, in der Zeitschrift "Der Personalrat" 11/2005 nicht für schwerbehinderte Beamte durchzuführen sei, ist nicht zwingend:

1.
Der Annahme von Steiner, dass sich u.a. aus der Wortwahl „...management“ ergebe, dass das Eingliederungsmanagement „offensichtlich für die Privatwirtschaft als Adressaten konzipiert“ worden sei und nicht für den öffentlichen Dienst, ist unzutreffend (Nr. 1.1).

So gibt es im öffentlichen Dienst bei Behörden längst verbeamtete Manager etwa in Form von „Strategischen Produktmanagern“ und „Operativen Produktmanagern“, um hier nur zwei Beispiele zu nennen.

2.
Steiner meint, mit § 84 Abs. 2 SGB IX habe der „Gesetzgeber nicht das gegenseitige Treueverhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn gestalten“ wollen (Nr. 3.2.2).

Beim Eingliederungsmanagement geht es um die Behebung einer erheblichen Leistungsstörung wegen Erkrankung, deren Ursachen frühzeitig ergründet werden sollen zur Beseitigung bzw. Reduzierung der Störung. Die durch krankheitsbedingte Abwesenheiten verursachten organisatorischen und finanziellen Belastungen liegen bei privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnissen gleichermaßen vor wie bei einem öffentlich-rechtlichen „gegenseitigen Treueverhältnis“ von Beamten und Dienstherrn schon wegen des gegenseitigen Zusammenhangs von Leistung (Dienstleistung) und Gegenleistung (Besoldung), der nach der Rechtsprechung zu § 9 BBesG auch für Beamte gilt.

Es erscheint geradezu absurd anzunehmen, dass ein Gesetzgeber anordnet, dass einem nichtbehinderten Arbeitnehmer das Eingliederungsmanagement kraft Gesetzes angeboten werden muss im Gegensatz zu einem Bundesbeamten mit schwerer Behinderung, zumal das Eingliederungsmanagement mit den Besonderheiten des Beamtenverhältnisses ohne weiteres vereinbar und „kompatibel“ ist und eine solche durch nichts zu rechtfertigende beamtenrechtliche Sonderbehandlung der Privatwirtschaft kaum vermittelbar wäre. Hätte der Gesetzgeber gleichwohl eine derartige statusabhängige Unterscheidung gewollt (trotz vergleichbarer Interessenslage), hätte er das Eingliederungsmanagement in § 128 Abs. 1 SGB IX für Beamte aus den gesetzlichen Pflichtenkatalog herausnehmen müssen. Da er dies aus guten Gründen nicht getan hat und damit verdeutlichte, dass das Eingliederungsmanagement auch für Beamte gelten soll, spricht auch dies nicht für die Auffassung von Steiner.

3.
Steiner meint schließlich, dass eine sparsame Finanzwirtschaft der Fürsorge im öffentlichen Dienst Grenzen setze. Diese Grenzziehung werde vom betrieblichen Eingliederungsmanagement zumindest erreicht, wenn man bedenke, dass der „bürokratische Aufwand“ im Verhältnis zum Nutzen sehr hoch erscheine (Nr. 3.2.3).

Es kann dem Gesetzgeber kaum die Absicht unterstellt werden, dass er der Privatwirtschaft mehr „bürokratischen Aufwand“ zumutet als dem öffentlichen Dienst, dem eine Vorreiterrolle und Vorbildfunktion mit Signalwirkung bei der Prävention zukommt. „Eingliederung [link=http://www.perspektive-mittelstand.de/pages/wissen-und-praxis/wissen-und-praxis_detail.php>ID=638]lohnt sich![/link]“ und „Eingliederungsmanagement zahlt sich aus für Arbeitgeber in vielerlei Hinsicht“, wenn es professionell durchgeführt wird und alle Beteiligte hinter dem Verfahren stehen, sagen sogar die Arbeitgeber bzw. Institute der deutschen Wirtschaft. Warum sollte der Gesetzgeber ein auch für ihn lukratives Eingliederungsangebot seinen Beamten vorenthalten wollen> Entgegen Steiners These sprechen demnach gerade auch „Sparsamkeitsgründe“ eher für das Eingliederungsmanagement bei Beamten und nicht dagegen, da es große wirtschaftliche Vorteile gerade auch für Arbeitgeber hat.
www.dguv.de

4.
Diese Auffassung teilt im Ergebnis auch Gagel, ehemaliger Richter am Bundessozialgericht, wonach das Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX auch „für Beamte und Richter“ durchzuführen ist.

Kontextlinks:
BEM gilt auch für Beamte!
Beamtenrecht und Schwerbehindertenrecht
Ruhestandsversetzung von dienstunfähigen Beamten


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