Prüfpflicht bei AfA Wie? (Einstellung)

garda, Berlin, Friday, 26.02.2021, 16:26 (vor 1148 Tagen) @ WoBi

deine Ausführungen entsprechen nicht dem § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX:
"Über die Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen haben die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten. "
und den Ausführungen in § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX:
"Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 164 Absatz 1 und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 164 Absatz 1 oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen.".
Ein Vermittlungsvorschlag der Bundesagentur für Arbeit ist einem Bewerbungseingang gleichgesetzt.

Hallo Wolfgang,

und jetzt wieder zurück in die heutige Wirklichkeit? Der Gesetzestext ist uralt und schon lange durch die Wirklichkeit überholt. Was ein Vermittlungsvorschlag jeweils ist, regelt das SGB III, nicht das SGB IX.

Ein Vermittlungsvorschlag ist eben auch nicht zwingend gleichzeitig ein Bewerbungseingang, denn hier wird heutzutage i.d.R. nur eine Person vorgeschlagen und die Bewerbung dieser Person angekündigt. Da steht maximal Name und Adresse drauf, mehr nicht! Parallel wird der Bewerber zu einer Bewerbung aufgefordert. Diese Person muss sich dann auch tatsächlich bewerben, so wie der Arbeitgeber das festgelegt hat. Online, per Mail, schriftlich usw.

Wir sind schon lange - mehr als 20 Jahre sicher, vermutlich wohl schon viel länger - aus der Zeit heraus, wo die Bundesanstalt komplette Bewerbungsunterlagen versendet hat, oder noch früher, wo der Vermittlungsvorschlag den sich persönlich mit seinen Unterlagen vorstellenden Bewerber angekündigt hat, wenn die Post schnell genug war. Auf diesem Stand ist das SGB IX aber stehen geblieben. So lief das in den 50iger und 60iger Jahren teilweise noch in den 70igern aber doch nicht mehr heute.

Der heutige Vermittlungsvorschlag umfasst im Kern eine Seite und benennt lediglich die Person selbst. Mehr darf gar nicht mitgeteilt werden, dem (Sozial)- Datenschutz sei Dank. Die Datenhoheit hat der Bewerber. Er kann oft genug auch noch entscheiden, ob er sich überhaupt bewirbt und wenn es nicht passiert, gibt es auch nichts zu entscheiden oder zu beteiligen.

Im öffentlichen Bereich hat ein solcher Vermittlungsvorschlag zusätzlich die Wirkung, dass der Bewerber nicht offensichtlich Ungeeignet ist und § 165 Satz 4 SGB IX nicht zutrifft.
"Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt."
Die Bundesagentur für Arbeit schlägt nur geeignete schwerbehinderte Menschen vor. Deshalb ist der schwerbehinderte Mensch zwingend zu einen Vorstellungsgespräch einzuladen.

Das gilt so pauschal wie du es hier sagst nicht. Siehe oben. Wohl praktisch jeder Arbeitgeber wird heute - wenn es sich nicht um Tagesjobs oder ganz einfache Tätigkeiten handelt - ein Bewerbungsverfahren vorschreiben und seine hard skills formulieren. Diese sind dann in der Bewerbung glaubhaft zu machen bzw. nachzuweisen. Ob der Vermittlungsvorschlag tatsächlich passend war, stellt sich dann im weiteren Verfahren heraus, da leider auch nicht alle hard skills in Datenbanken zweifelsfrei abgebildet werden können. Niemand und kein System kann allein alle Bildungsabschlüsse automatisiert abgleichen. Schlicht unmöglich, es bleibt bei einem Kompromiss. Das gegenüber der Arbeitsagentur bzw. dem Jobcenter auch schon mal falsche Angaben gemacht werden, aktuelle Vorgänge verschwiegen werden (Klassiker: zwischenzeitlicher Führerscheinentzug wegen Alkohol, weiterer Klassiker: ich bin gleichgestellt aber man hat nur einen Antrag gestellt, hatten wir gerade) und auf allen Seiten Fehler und Missverständnisse passieren können macht es nicht einfacher.

Leider ist das alles nicht so einfach wie es sich der Gesetzgeber manchmal macht.

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Mit freundlichen Grüßen

Michael


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