Schulung, Abmahnung, Klage, (Seminare / Fortbildung)

Wolfgang E., Monday, 23.07.2007, 12:15 (vor 6147 Tagen) @ tarsim

Der Arbeitgeber darf keine interne Regelungen erlassen, die den gesetzlichen Schulungsanspruch der Schwerbehindertenvertretung einschränken bzw. die Schulungen von bestimmten im Gesetz nicht vorgesehenen Voraussetzungen abhängig machen (§ 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Entgegenstehende betriebliche Verfahrensregelungen wie hier, die im Schwerbehindertenrecht keine Rechtsgrundlage haben, sind für die Gerichte nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung regelmäßig nicht bindend.
BVerwG, Beschluss vom 06.12.1994, 6 P 36.93

Streitigkeiten über Rechte und Pflichten der Schwerbehindertenvertretung als gesetzliches Organ der Verfassung des Betriebs haben ihre Grundlage nämlich nicht im Arbeitsverhältnis des jeweiligen Amtsinhabers, sondern unmittelbar in den gesetzlichen Vorschriften über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der SBV.
BAG, Urteil vom 21.09.1989, 1 AZR 465/88

Eine faktische Einschränkung des Schulungsanspruchs kann auch darin gesehen werden, dass der Arbeitgeber über die „Zustimmung“ nicht zeitnah entscheidet mit der Folge, dass das Seminar dann vielfach ausgebucht ist, sofern keine (vorsorgliche) Seminarreservierung erfolgte, was im Ergebnis einer Mandatsbehinderung der SBV gleichkäme (§ 96 Abs. 2 SGB IX).

Die SBV kann auch ohne ausdrückliches vorheriges Einverständnis des Arbeitgebers "notwendige Verpflichtungen" eingehen (Knittel, SGB IX, Rdnr. 37 zu § 96 SGB IX, und Basiskommentar zum SGB IX, Rdnr. 22 zu § 96 SGB IX). Eine Genehmigung der Geschäftsleitung ist nicht erforderlich, weil sie natürlich gleichermaßen wie bei einem Betriebsrat kein Weisungsrecht hat bezüglich der Mandatsausübung, wozu auch die rechtzeitige Reservierung notwendiger Seminare zählt. Eine Zustimmung des Arbeitgebers für Aufwendungen zur Amtsführung der SBV ist nur dann nötig, wenn es sich um außergewöhnliche Aufwendungen der SBV handelt.

Die Vertrauensperson schwerbehinderter Menschen ist regelmäßig bei Freistellungen für notwendige Schulungen nicht auf die Bewilligung von Vorgesetzten, Dienstherrn oder Arbeitgeber angewiesen. Sie stellt sich selber frei. Daher kann es grundsätzlich auch vor dem Besuch der Veranstaltung in der Regel keine gerichtliche Auseinandersetzung geben. Das Gericht kann den Arbeitgeber oder Dienstherrn nicht in die Pflicht nehmen, weil der rechtlich überhaupt keine Möglichkeit hat, die Teilnahme zu vereiteln. Allenfalls kann er selber versuchen, per einstweiliger Verfügung den Schulungsbesuch untersagen zu lassen.

Gestritten wird daher in der Regel nur nachträglich über die Bezahlung der Kosten. Im Streitfall muss die Schwerbehindertenvertretung den Kostenersatz für Schulungen (§ 96 Abs. 8 SGB IX) im arbeits- oder verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahren geltend machen
(Basiskommentar zum Sozialgesetzbuch IX, Rdnr. 22 zu § 96 SGB IX).
[link=http://www.jurion.de/newsletter.jsp>vid=3K251510&mref=s26092007-1 ]LAG Hamm[/link], Beschluss vom 09.03.2007, 10 TaBV 34/06

Vor einer Abmahnung einer schwerbehinderten Vertrauensperson ist das stv. Mitglied der SBV vom Arbeitgeber zu beteiligen nach § 95 Abs. 2 SGB IX. Der Arbeitgeber hat daher von sich aus die Durchführung oder Vollziehung der Abmahnung bereits aus formalen Gründen mangels Beteiligung des stv. Mitglieds der SBV kraft Gesetzes auszusetzen, ohne dass es hierfür eines gesonderten Antrags der SBV bedarf (§ 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX).
BVerwG, Beschluss vom 03.08.1999, 1 ABR 30/98

Unterlässt der Arbeitgeber schuldhaft die Anhörung der SBV, ist dies ggf. eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld bis zu 10.000 Euro geahndet werden kann (§ 156 Abs. 1 Nr. 9 SGB IX) von der zuständigen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit.

Außerdem hat der Arbeitgeber vor einer Abmahnung eines schwerbehinderten Beschäftigten regelmäßig das gesetzliche Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen, was in der Praxis vielfach übersehen wird.

Kontextlinks:
www.schwbv.de/urteile/64.html

Rechtsprechung:
„Dienstreisen von Personalratsmitgliedern bedürfen keiner Genehmigung des Dienststellenleiters“
(BVerwG, Beschluss vom 22.06.1962, VII P 8.61)


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