parallelmandat sbv+br: sbv-termin hinderungsgrund für br-sitzung? (Umgang mit BR / PR)

WoBi, Wednesday, 18.12.2019, 12:38 (vor 1592 Tagen) @ albarracin

Hallo albarracin,

Und hier entscheidet die betroffene Person nach eigenem Ermessen, welcher Aufgabe sie den Vorrang gibt

Diese Entscheidungsmöglichkeit der SBV wurde nie bestritten. Diese Entscheidungsmöglichkeit hat auch ein Mitglied des Betriebsrates, wenn eine Einladung zur Betriebsratssitzung vorliegt und gleichzeitig z.B. eine Gesamtbetriebsratssitzung stattfinden würde.

und ist für die andere Aufgabe verhindert.

Diese Pauschalität der Annahme einer Verhinderung mit ihren rechtlichen Folgen für den Betriebsrat wird bestritten. Hier ist das Betriebsverfassungsgesetz zu beachten. Weitere ehrenamtliche Funktionen und deren Rechtsgrundlagen haben keine Rolle für den Vorsitzenden des Betriebsrates zu spielen, denn dieser hat nur nach dem BetrVG zu handeln und entscheiden.

Der BR-Vorsitzende hat nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG die Aufgabe, dass die BR-Mitglieder zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung geladen werden.
Damit der BR-Vorsitzende seinen Aufgaben gerecht werden kann, sind die BR-Mitglieder nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verpflichtet, den BR-Vorsitzenden über eine Verhinderung an der Sitzungsteilnahme unverzüglich zu unterrichten und den Grund dafür mitzuteilen.
Wird dem BR-Vorsitzenden durch ein BR-Mitglied mitgeteilt, dass es nicht an der Sitzung teilnimmt, muss der BR-Vorsitzende zunächst prüfen, ob eine tatsächliche oder rechtliche Verhinderung des BR-Mitgliedes vorliegt. Nur in diesem Fall, muss der BR-Vorsitzende ein Ersatzmitglied des Betriebsrates nach § 29 Abs. 2 Satz 4 BetrVG nachladen.
In einem zweiten Schritt muss der BR-Vorsitzende feststellen, welches BR-Ersatzmitglied nachzuladen ist. Dabei ist das Wahlergebnis, die Quote des Geschlechtes der Minderheit und ggf. die Zugehörigkeit zu einer Liste zu beachten.

Die Aufgabe der Nachladung bei tatsächlicher oder rechtlicher Verhinderung hat der BR-Vorsitzende auch für die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV), aber nicht für die SBV.

Der BR-Vorsitzende ist hier in der Verpflichtung für die möglichst vollzählige Zusammensetzung des Gremiums zu sorgen. Hat aber auf der anderen Seite zu achten, dass durch eine Teilnahme eines nicht teilnahmeberechtigten BR-/JAV-Ersatzmitgliedes das „Nichtöffentlichkeitsgebot“ nach § 30 Satz 4 BetrVG nicht missachtet wird.
Die BR-Sitzung ist Mittelpunkt der BR-Arbeit. Die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Gremiums ist zwingende Voraussetzung für die Willensbildung und die Beschlussfassung des Gremiums. Dabei ist eine mögliche Beschlussunfähigkeit oder eine ungültige Beschussfassung wegen der Zusammensetzung des Gremiums zu vermeiden. Dies ist der Rechtssicherheit der gefassten Beschlüsse und damit Gegenüber den zu vertretenden Kolleginnen und Kollegen geschuldet.

Eine rechtliche Verhinderung liegt vor, wenn das BR-Mitglied von einer Beschlussfassung im Betriebsrat selbst unmittelbar betroffen ist. Diese mitteilungspflichtige bzw. zuvor erkennbare Interessenkollision ist noch einfach zu beurteilen und führt in der Regel nicht zu einer vollen Verhinderung für die ganze BR-Sitzung mit mehreren Tagesordnungspunkten, wie bereits das LAG Hessen, 01.11.2012 – 9 TaBV 156/12 dargelegt hat. Hier ist nur eine zeitweise Verhinderung des BR-Mitgliedes gegeben und nur für diese Zeit ist zwingend durch den BR-Vorsitzenden das nächste BR-Ersatzmitglied nach § 25 Abs. 2 BetrVG zur ordnungsgemäßen Beschlussfassung nachzuladen.

Schwieriger sind die Gründe für eine tatsächliche Verhinderung durch den BR-Vorsitzenden zu beurteilen. Hier hat der BR-Vorsitzende die mitgeteilten Gründe für das Fernbleiben heranzuziehen. Eine tatsächliche Verhinderung liegt vor, wenn es dem BR-Mitglied aus (anerkannten) nachvollziehbaren Gründen objektiv unmöglich oder unzumutbar ist, an der BR-Sitzung teilzunehmen. Tatsächlichen Verhinderung sind z.B. Urlaub, Krankheit, Beschäftigungsverbote, Amts-/Gerichtstermine, Dienstreisen, Auslandsabordnungen, „echte“ Notfälle = nicht planbar!, Seminare, … . Also Gründe, die einen Arbeitnehmer von seinem regulären Arbeitsplatz fernhalten.

Kein Verhinderungsfall liegt vor, wenn das BR-Mitglied mitteilt, es müsse wichtige (also geschuldete) Arbeitsaufgaben z.B. Kundentermin, Besprechung, ... zu erledigen hat. Also das BR-Mitglied unter Beachtung des Vorrangs des Ehrenamtes nach § 37 Abs. 2 BetrVG als BR-Mitglied die Möglichkeit an der BR-Sitzung teilzunehmen hat.

Die Abhaltung z.B. der SBV-Sprechstunde am Standort der BR-Sitzung wird kein ausreichender Grund für eine tatsächliche Verhinderung als BR-Mitglied nach dem BetrVG sein.
Es kommt auf den belegbaren/nachvollziehbaren Grund der Verhinderung an. Aber das sind Probleme eines BR-Vorsitzenden. :-)

--
Gruß
Wolfgang


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion