AGG kann so umgangen werden? (AGG)

Hendrik1, Niedersachsen, Tuesday, 16.10.2018, 13:13 (vor 2012 Tagen) @ Jimmy Bondi

Moin Moin Jimmy,

der Arbeitgeber hat hier einen Bock geschossen, der für ihn nachteilig ist.
Er hat eine Stellenausschreibung erstellt, aus der die notwendigen und die wünschenswerten Kompetenzen und Ausbildungen hervorgehen müssen.
Auf diese Kriterien hin bewerben sich die schwerbehinderten und nicht schwerbehinderten Kandidaten/innen.
Erfüllt ein/e schwerbehinderte/r Bewerber/in die notwendigen Kriterien, ist sie/er im öffentlichen Dienst nach § 165 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. da eine Einladung nur entbehrlich ist " wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt." Diese kann sich nur an den Auswahlkriterien der Ausschreibung orientieren.
Daher ist sie/er einzuladen.
Wenn der Arbeitgeber andere Kriterien heranzieht, als die, auf die er sich selber in der Ausschreibung festgelegt hat, ist dies nicht zulässig. Wir hatten bei uns den Fall, dass sich eine technische Assistentin, die gehörlos war, auf eine Stelle beworben hat. Die Abteilung wollte sie nicht einladen, weil mit der Stelle auch Telefonate mit anderen Ämtern, Gerichten etc. im Umfang von etwa 3 Stunden am Tag verbunden waren. Da dieses aber nicht in der Ausschreibung genannt war, musste sie zum Vorstellungsgespräch mit Gebärdendolmetscher eingeladen werden. Sie hat dann selber, nachdem sie den Arbeitsplatz gesehen hat, die Bewerbung zurückgezogen, weil sie auch in anderen Bereichen deutliche Defizite hatte.
Auch die 5. Auflage des Nomoskommentars zum SGB IX bezieht sich in der Randnummer 7 zum § 165 darauf, dass auch bei zweifelhafter Eignung eine Einladung erfolgen muss. In Randnummer 9 steht: "Der Dienstherr bestimmt durch die Festlegung des Anforderungsprofils die Kriterien der Bewerberauswahl. Er ist gehindert, erst nach Eingang der Bewerbungen Kriterien für ein Anforderungsprofil festzulegen. ..... Er ist an die in der Ausschreibung selbst aufgestellten zwingenden Mindestanforderungen gebunden." Hierzu wird unter anderem auf ein BAG Urteil von 2012 verwiesen 8AZR697/10.

Daher muss er den Schwerbehinderten einladen, wenn die zwingenden Ausschreibungskriterien erfüllt sind, bzw. nicht zweifelsfrei feststeht, dass eine fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Bringt der Arbeitgeber in der Ausschreibung auch noch schöne Begriffe wie -oder vergleichbarer Abschluss- ins Spiel, ist der Nachweis des Fehlens der Eignung weiter erschwert. Wenn z.B. ein/e Kauffrau/mann für Gesundheitswesen in einer Verwaltungsstelle gesucht wird und jemand hat eine andere kaufmännische Ausbildung im Verwaltungsbereich, kann man von der Vergleichbarkeit für diese konkrete Stelle ggf. ausgehen.

Liebe Grüße

Hendrik


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