Vorstellungsgespräch und Zuständigkeit SBV bei beantragter SB (Allgemeines)

MatthiasNRW, Wednesday, 26.04.2017, 10:01 (vor 2558 Tagen) @ Cebulon

Muss diese Bewerberin zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden und ist die SBV bei den Vorstellungsgesprächen trotz des noch fehlenden Bescheides zu diesen Gesprächen zu laden?


Hallo, zwei mal klares NEIN. Gruß Cebulon

Hallo,

bei dem zweiten Punkt würde ich dir auf jeden Fall zustimmen. Keine anerkannte Behinderung, kein Auftrag für die SBV.

Mit Blick auf den ersten Teil der Frage finde ich die richtige Lösung nicht ganz so einfach. Ich lasse mich aber auch gerne korrigieren ;)

Es mag sich keine Einladungspflicht durch das SGB IX ergeben (weil die Tatbestandsvorraussetzungen "Mensch mit Schwerbehinderung oder Gleichstellung" und ggf. öffentlicher Arbeitgeber nicht erfüllt sind).

Gleichwohl kann durch die nicht erfolgte Einladung eine Diskriminierung i. S. d. AGG vorliegen. Das AGG verlangt nicht nach einer anerkannten Schwerbehinderung oder einem GdB von mind. 30 sowie Gleichstellung. Das AGG spricht allgemein von "Behinderung".

Ein Blick in die Begriffsdefinition des § 2 Abs. 1 SGB IX:
"Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist."

Aus dem Ausgangsposting:
"Es handelt sich um eine dauerhafte innere Erkrankung die auch dazu führt das nicht alle Tätigkeiten ausgeführt werden können."

Abweichung einer körperlichen Funktion vom typischen Zustand: Innere Erkrankung -> check
länger als sechs Monate: Dauerhaft -> check
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt: Tätigkeitseinschränkung auf dem Arbeitsmarkt -> check (vielleicht, kommt auf den Einzelfall an)

In dem Zusammenhang sollte man ebenfalls die Rechtsprechung des EuGH (C-335/11 / C-337/11) berücksichtigen:

"Es ist daher festzustellen, dass eine heilbare oder unheilbare Krankheit unter den Begriff 'Behinderung' im Sinne der Richtlinie 2000/78 fallen kann, wenn sie eine Einschränkung mit sich bringt, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können, und wenn diese Einschränkung von langer Dauer ist.

Dagegen fällt eine Krankheit, die keine solche Einschränkung mit sich bringt, nicht unter den Begriff 'Behinderung' im Sinne der Richtlinie 2000/78. Krankheit als solche kann nämlich nicht als ein weiterer Grund neben denen angesehen werden, derentwegen Personen zu diskriminieren nach der Richtlinie 2000/78 verboten ist (vgl. Urteil Chacón Navas, Randnr. 57)."

Meiner Ansicht nach bietet es sich an, ob die Bewerberin aus offensichtlichen Gründen nicht eingeladen werden muss. Falls Zweifel bestehen, könnten möglicherweise Ansprüche auf Schadenersatz wegen Diskriminierung im Bewerbungsverfahren infrage kommen.

--
Gruß
Matthias


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