Vertragsverlängerung/Neuausschreibung (Allgemeines)

WoBi, Monday, 20.05.2019, 08:58 (vor 1796 Tagen) @ Monica99

Hallo Monica99,

ich persönlich finde es gut, dass die seit 2001 im SGB IX vorhandene Vorabprüfpflicht mit Leben erfüllt wird. Viel zu viele SBV lassen sich mit der pauschalen Begründung „Dabei ist davon auszugehen, dass alle Arbeitsplätze grundsätzlich zur Besetzung mit schwerbehinderten Menschen geeignet sind. Ausnahmen sind mit der Schwerbehindertenvertretung zu erörtern.“* täuschen und von einer gesetzlich vorgesehenen Einzelprüfung jeder neuen oder freiwerdenden Stelle vor der Stellenausschreibung abhalten.

*Als Beispiel - Auszug aus der Inklusionsvereinbarung der Landeshauptstadt München: https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Personal-und-Organisationsreferat/Presseservice/Broschueren/Integration-MA.html

In der ab 01.06.2019 gültigen Inklusionsvereinbarung für den Freistaat Bayern wird diese Vorabprüfpflicht im Satz 3/4 nunmehr verdeutlicht, auch wenn eine „quasi pauschale“ Eignung für behinderte Menschen im 2. Satz genannt wird.

4.4.1 Prüfungspflicht
Jede Dienststelle ist verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit als arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Dabei ist davon auszugehen, dass alle Arbeitsplätze beim Freistaat Bayern grundsätzlich zur Besetzung mit schwerbehinderten Menschen geeignet sind, soweit nicht in einzelnen Tätigkeitsbereichen besondere Anforderungen an die Beschäftigten gestellt werden müssen. Die Schwerbehindertenvertretung ist im Rahmen der Prüfung unter unverzüglicher und umfassender Unterrichtung zu hören; die getroffene Entscheidung ist ihr unverzüglich mitzuteilen (§ 164 Abs. 1 Satz 6 und § 178 Abs. 2 SGB IX). ....“

Auszug aus: http://gesetze-bayern.de/Content/Document/BayVV_2030_8_F_10382-52

Kann ein Stellenbesetzungsverfahren ordnungsgemäß sein, welches bereits zum Beginn (hier vor Stellenausschreibung) mit erheblichen Rechtsfehlern gestartet wird?

Im Rahmen der Vorprüfung nach § 164 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 6 SGB IX hätte die betroffene schwerbehinderte Person mit einem auslaufenden befristeten Arbeitsvertrag die neue Stelle angeboten werden können und vor einer allgemeinen Stellenausschreibung besetzt werden können. Der Arbeitgeber hat Verpflichtungen nach § 164 Abs. 4 SGB IX. Hier hätte die SBV / BR die Person vorschlagen können.

Arbeitgeber sind nach der Vorprüfung verpflichtet sich mit der Agentur für Arbeit „frühzeitig“ in Verbindung zu setzten und eine Vermittlung arbeitssuchender / -loser geeigneter schwerbehinderter Menschen zu beauftragen. Eine „einfache“ Meldung einer freien Stelle für den allgemeinen Arbeitsmarkt löst eine Vermittlung im Sinne des § 187 Abs. 5 SGB IX nicht aus und der Arbeitgeber verzichtet auf die dort genannten Leistungen der Bundesagentur für Arbeit.

Der Arbeitgeber hat frühzeitig Kontakt mit der Agentur für Arbeit aufzunehmen. Dafür reicht 1 Tag vor der Stellenveröffentlichung nicht aus.
Frühzeitig besagt, dass etwas schon recht früh, früher als üblich oder nötig, geschieht oder geschehen ist.
Folgendes Beispiel zur Verdeutlichung:
Wer frühzeitig zu einer Party kommt, erscheint früher als die anderen und vor dem eigentlichen Beginn. Wer rechtzeitig kommt, trifft gerade so ein, dass er nichts von dem versäumt, was nach seinem Kommen beginnt.

Die Agentur oder der IFD hätte die auslaufend befristete behinderte Person als geeignete Person vorschlagen können, wenn das Verfahren korrekt durch den Arbeitgeber eingeleitet worden wäre und die Person sich im Rahmen ihrer Verpflichtung bei der Agentur für Arbeit wegen dem Auslaufen des befristeten Arbeitsvertrages gemeldet hätte.

Eine Benachteiligung im Einstellungsverfahren ist auch die Missachtung gesetzlicher Vorgaben zum Schutz schwerbehinderter Menschen. Die nicht korrekte Durchführung gesetzlicher Verpflichtungen vor einer Stellenausschreibung kann ein Indiz für eine Benachteiligung im Sinne des AGG sein. Hier liegt die Schwierigkeit in der Beweisfähigkeit für die behinderte Person, da ihr keine internen Kenntnisse vorliegen.

Hendrick hat auf diesen Umstand hingewiesen und Handlungsweisen der Interessenvertretungen aufgezeigt. Ein Einstellungsanspruch besteht nicht. Aber der BR kann im Rahmen seiner Mitbestimmung einer Einstellung widersprechen, da der Arbeitgeber seinen gesetzlichen Verpflichtungen nach § 164 Abs. 1 nicht nachgekommen ist. Dem Arbeitgeber bleibt bei einer ordnungsgemäß begründeten Verweigerung der Zustimmung nach § 99 BetrVG und falls der Arbeitgeber auch gleich § 100 BetrVG zieht, der § 100 BetrVG mit Anrufung des Arbeitsgerichtes und dem BR ggf. bei Erforderlichkeit § 101 BetrVG. Auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren können Vergleiche geschlossen werden, wenn man sich nicht zuvor auf ein „Zebrageschäft“ einigen kann. Vieles kann mit Psychologie gelöst werden.

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Gruß
Wolfgang


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